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Zerschlagung der Gewerkschaften 1933 in Pforzheim
Von Stadtwiki
Die Zerschlagung der Gewerkschaften in Pforzheim begann am 1. Mai 1933.
Der 1. Mai wurde vom Kampftag der Arbeiterbewegung zum verordneten Feiertag.
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vor dem 1. Mai 1933
Seit Ende Februar 1933 sind die Grundrechte der Weimarer Verfassung außer Kraft. Der Reichstag hat sich am 24. März selbst abgeschafft. Im Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund (ADGB) gibt noch Zweifel über den Kurs der Hitler-Regierung gegenüber den Gewerkschaften: „Werden sie in der bisherigen Form weiter bestehen bleiben und ihre Lohn- und sozialpolitischen Aufgaben so wie bisher erfüllen können ?“, fragt der Pforzheimer Gewerkschaftssekretär Hermann Rapp in seinen Erinnerungen „Aus schwerer und bewegten Zeit“. Noch am 19. April nimmt der Vorstand des ADGB Stellung zum „Feiertag der nationalen Arbeit“, zu dem die Hitler-Regierung den 1. Mai inzwischen erklärt hatte, und ruft seine Mitglieder auf, „für die vollberechtigte Eingliederung der Arbeiterschaft in den Staat sich allerorts an der von der Regierung veranlassten Feier festlich zu beteiligen“.
Die Vorstellung, sich mit den braunen Machthabern arrangieren zu können, zerplatzt in Pforzheim letztendlich bei den Verhandlungen der Gewerkschafter mit dem Leiter der Nationalsozialistischen Betriebszellen-Organisation (NSBO), Franz Flick, der mitteilen lässt, „an der Maidemonstration könnten sich die Gewerkschaftsmitglieder nur einzeln beteiligen, nicht aber die Gewerkschaften als Formation“.
1. Mai
Die Verantwortlichen der Pforzheimer Gewerkschaften wissen um das Risiko, offen mit Transparenten oder Sprechchören bei der Maidemonstration gegen die neue Regierung zu opponieren: Hausdurchsuchungen, willkürliche Verhaftungen, Entlassungen von Beamten aus politischen Gründen, Amtsenthebungen von Bürgermeistern in Umlandgemeinden, Schließung von Gaststätten, die als Treffs von SPD- beziehungsweise KPD-Mitgliedern bekannt waren, erste Berichte von Konzentrationslagern bei Dachau und in Kislau… Sie wissen auch um die Schwäche der Gewerkschaftsbewegung: 46 % der Mitglieder sind arbeitslos, 22 % auf Kurzarbeit und 32 % noch voll beschäftigt.
Am 1. Mai geht dann der verordnete Umzug in Pforzheim unter vielen Hakenkreuzen, aber ohne sichtbare Beteiligung der Gewerkschaften vor sich. Da die Betriebe geschlossen teilnehmen, bleibt den meisten Arbeitern nicht anderes übrig, als sich bei ihrem Betrieb einzureihen, war der Tag doch ein bezahlter Feiertag und Nichtteilnahme wäre als Arbeitsverweigerung mit entsprechenden Konsequenzen gewertet worden. Von den Forderung des ADGB von 19. April nach Arbeitszeitverkürzung auf 40 Stunden bei vollem Lohnausgleich als ein Mittel gegen die Arbeitslosigkeit ist auf Pforzheims Straßen nichts mehr zu hören oder zu sehen. Die letzten drei gewählten Gewerkschaftsvertreter feiern den 1.Mai auf „eigene Art und Weise: Wir machten einen schönen Spaziergang im Walde“.
2. Mai
Am Morgen des 2. Mai geht Hermann Rapp in sein Büro in der Gaststätte Klostermühle in der Gymnasiumstraße in Pforzheim, seine Kollegen Reinhard Dathe und Rudolf Pöhler ins Büro der Metallarbeitergwerkschaft. Um 9 Uhr beziehen SA-Männer Posten vor der Klostermühle, gegen 10 Uhr dann verschaffen sich etwa 25 SS- und SA-Männer, bewaffnet mit Pistolen und Gewehren, Zugang zu den Räumen des ADGB. Gleiches geschieht mit über 50 SS- und SA-Männern gegen die zwei Beschäftigten des Metallarbeiter-Verbandes in der Emma-Jaeger-Straße. Die Bibliothek und die Räume des Verkehrsverbandes werden durchsucht und durchwühlt, am 17. Juni landen – so vermutet Rapp – die Bücher auf dem Scheiterhaufen auf dem Marktplatz. Die Befehle kommen von dem örtlichen NSBO-Leiter Franz Flick und Heinrich Steiger, dem Kreisbetriebszellenleiter aus Karlsruhe, der Vorwand lautet: „Schutz der Arbeitergroschen“. Ein bisher arbeitsloser kaufmännischer Angestellter, jetzt zum NSBO-Beauftragten ernannt, soll Rapp überwachen und die unterstellten Unregelmäßigkeiten in der Kassenführung herausfinden, jedoch „musste er bestätigen, dass er nichts Nachteiliges gefunden hatte und alles in bester Ordnung sei“. Währenddessen bearbeitet Rapp weiter Rechtsauskünfte von Kollegen und reicht für sie Klagen vor dem Arbeitsgericht ein.
31. Juli
Ende Mai kommt es zum Wortgefecht über die Behauptung Steigers, der NS-Bewegung könne nichts widerstehen. Die Antwort von Rapp ist das letzte Wort der freien Gewerkschaften in Pforzheim: „Sie können mich jetzt brotlos machen, Sie haben die Macht dazu ! Sie können mich in Schutzhaft nehmen, Sie haben die Macht dazu. Sie können vielleicht noch etwas anders mit mir anfangen, auch dazu haben Sie die Macht. Aber eins können Sie nicht: Sie können mir meine Weltanschauung, die ich mir in jahrzehntelanger Arbeit erkämpft habe, nicht nehmen und durch eine andere ersetzen, dazu haben Sie keine Macht!“
Vom 19. Juli 1933 stammt die Kündigung, am 31. Juli 1933 sind Reinhard Dathe, Rudolf Pöhler und Rapp arbeitslos, die Tätigkeit freier Gewerkschaften im Interesse der abhängig Beschäftigten ist beendet. Die Mitgliedschaft in der „Deutschen Arbeitsfront“ (DAF), einer Unterorganisation der NSDAP, wird Pflicht. Rapp fasst die kommende Entwicklung zusammen mit den Worten: „Der Betrieb wird zur Kaserne“ und erinnert sich an 1932: „Wie hieß die Parole der SPD im Wahlkampf ? ‚Hitler bedeutet Krieg !’ Er will eben auf ganz anderem Wege, nämlich durch Aufrüstung die Arbeitslosigkeit beseitigen. Dadurch ist aber für die Arbeiterschaft und für das ganze Volk erst recht nichts gewonnen, sondern es begann der Weg von einem Elend in ein noch viel größeres Elend hinein“.
Literatur
- Endlich, Stefan, Für Freiheit und Menschenwürde, 100 Jahre IG Metall, Pforzheim, 1991
- Rapp, Hermann, Aus schwerer und bewegter Zeit, Pforzheim, 1975