Zur Anmeldung als Teilnehmer bitte E-Mail mit Nennung des gewünschten Benutzernamens an: pfenz@mail.de
Bertholdstraße 4: "Judenhaus"
Von Stadtwiki
Das Haus Bertholdstraße 4 war in der Nazi-Zeit kein gewöhnliches Wohnhaus, denn im Jahr 1940 lebten hier 23 Menschen jüdischen Glaubens. Die Bewohner lebten hier nicht schon immer und freiwillig, sondern wurden 1939/1940 in diesem kleinen Getto, von den Nazis „Judenhaus“ genannt, zusammengezwungen. So konnten die Nationalsozialisten bisherige nachbarschaftliche Beziehungen unterbinden, die ausgegrenzten Menschen leichter kontrollieren, den freigezwungenen Wohnraum „arisieren“ und vor allem die Verschleppung in Lager organisatorisch vorbereiten.
Inhaltsverzeichnis |
Situation in Pforzheim
Außer den 23 jüdischen Bewohnern und Bewohnerinnen lebten in dem Haus Bertholdstraße 4 noch ein nichtjüdisches Ehepaar und Käte Schulz mit ihrem Sohn Helmut. Sie war die Tochter des deportierten Hellmuth Wolff und dessen schon verstorbener nichtjüdischer Ehefrau und deswegen vor der Deportation geschützt. Weitere gettoisierte Häuser waren in Pforzheim in der Erbprinzenstraße 104, Jahnstraße 33, Kaspar-Glaser-Straße 2 und Kronprinzenstraße 25; Forschungen zu den Schicksalen der dortigen Bewohner und Bewohnerinnen stehen noch aus.
Überlebende
Nur sechs der 23 jüdischen Bewohner und Bewohnerinnen, die am 22. Oktober 1940 ins südfranzösische Internierungslager Gurs deportiert wurden, überlebten die Herrschaft der Nationalsozialisten:
- Ida, Leopold und Thekla Dreifuß sowie Elias Schermann gelangten aus dem Internierungslager Gurs aus in die USA;
- wie Margot Maier das Vernichtungslager Auschwitz überlebte und in die USA kam, ist nicht bekannt;
- Hellmuth Wolff, der Vater der Augenzeugin Käte Schulz, überlebte in Frankreich durch die Hilfe der Resistance, der Nazi-Gegner in Frankreich.
Opfer des Nazi-Terrors
17 Bewohner und Bewohnerinnen des Hauses Bertholdstraße 4 wurden Opfer des antisemitischen Rassenwahns der Nationalsozialisten, der Partei, die in Pforzheim 1933 über 57 Prozent der Stimmen erhielt.
- Das Ehepaar Kahn wurde von Gurs in den Osten deportiert, die Frau Elise im Vernichtungslager Auschwitz, der Ehemann Julius im KZ Lublin-Majdanek ermordet;
- Frau Karolina Erlanger starb in Gurs, ihren Mann Leo ermordeten die Nazis in Auschwitz;
- dort wurden auch das Ehepaar Auguste und David Maier, Jenny Windecker und die Schwestern Hedwig und Sophie David umgebracht;
- Louis Stern kam im Lager Gurs ums Leben;
- Hermine Schwarz gilt als verschollen;
- Amalie Nachmann wurde am 28. August 1940 von Gurs ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert, ihr Ehemann Ludwig Nachmann starb in einem Hospiz für Internierte in Noé in der Nähe von Toulouse;
- das Ehepaar Gottschalk, das ebenfalls am 20. Oktober 1940 aus dem Haus Bertholdstr. 4 verschleppt wurde, erlitt ein ähnliches Schicksal: Fritz Gottschalk wurde in Auschwitz umgebracht, seine Frau Herta irgendwo im Osten ermordet;
- Eva und Marianne Katzenstein, Mutter und Tochter, die auch in diesem Haus wohnen mussten (bei Marianne Katzenstein ist ungesichert, ob sie aus Pforzheim oder Karlsruhe deportiert wurde), ermordeten die Nazis ebenfalls in Auschwitz.
Erinnerung
Vor dem Haus Bertholdstraße 4 wurden am 28. Mai 2009 für Amalie und Ludwig Nachmann und für Hedwig David Stolpersteine verlegt – ein weiterer Stein für Hedwig David liegt am Eingang der Osterfeldschule, ihrem Arbeitsplatz zwischen 1936 und 1938 im Schulgetto, an der Ecke Osterfeldstraße und Neßlerstraße.
Für Herta und Fritz Gottschalk wurden Stolpersteine vor der früheren Wohnadresse in der Scharnhorststraße 11 verlegt, für Eva und Marianne Katzenstein vor der früheren Wohnung in der Kronprinzenstraße 30.
Quellen
- Gerhard Brändle: „Die jüdischen Mitbürger der Stadt Pforzheim“, herausgegeben von der Stadt Pforzheim, Pforzheim 1985 (1. Auflage) ISBN 3-9800843-1-0
- Gerhard Brändle mit Wolfgang Zink; herausgegeben von der Stadt Pforzheim: „Jüdische Gotteshäuser in Pforzheim“, 1. Auflage, Pforzheim (Stadt Pforzheim) 1990 ISBN 3-9800843-5-3
- Pforzheimer Zeitung vom 20. Oktober 1990
- Josef Werner: „Hakenkreuz und Judenstern – Das Schicksal der Karlsruher Juden im Dritten Reich“, Karlsruhe 1988